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Rollende «Tourenplanung» à la Corona

Bist du oft in den Bergen unterwegs bist du es dir gewohnt, dass es selten exakt so kommt wie du es geplant hast.

Immer wieder kommen neue Situationen welche man nicht, oder nur teilweise erwartet hat. Man muss sich den neuen Gegebenheiten anpassen und adaptieren.

Bei uns nennen wir das «die rollende Tourenplanung».

Bereits 10 Tage ist es her, seit der Bund die Arbeit als Bergführer verboten hat. Ehrlich gesagt, es liegen sehr spannende 10 Tage hinter mir! Gut hätte man darauf verzichten können, doch es macht auch mal Laune die positiven Seiten aus dem Ganzen zu finden.

Für die Projektarbeiten einer innovativen Schule schreibe ich die Fortsetzung des Artikels «Der selbständige Corona Bergführer»

Selbständigkeit

Zum Anfang macht es vielleicht mal Sinn, das Wort und die Bedeutung «Selbständigkeit» auseinander zu nehmen. Rund jeder achte Erwerbstätige ist in der Schweiz selbstständig erwerbend. Am häufigsten wird als Rechtsform die Einzelfirma gewählt. Dies auch bei den meisten Bergführern.

Das Wort beinhaltet zwei Wörter; Selber und Stehen. Somit heisst es ganz klar, wir müssen selber Stehen, in allen Situationen.

Staatliche Unterstützung

Das der Bund nun eine Corona Erwerbsersatzentschädigung auch für Selbständige erarbeitet hat, finde ich grossartig. Diese wurde in kürzerster Zeit realisiert. Kompliment.

30 Tagesansätze rückwirkend auf den 17. März 2020 wurden als Dach festgelegt. Hierzu findest du ein Merkblatt vom Bund.
Die Anmeldung beim Amt ist einfach und schnell erledigt, die zuständige Behörde kompetent und freundlich. Auf diesem Weg, besten Dank!

Entlastung

Die versprochene Unterstützung vom Staat ist hilfreich und gibt einem Luft, durch zu atmen. Super!
Der finanzielle Verlust und die existenziellen Ängste bleiben gross. Denn in den Monaten März, April und Mai (Skitourenhochsaison für Bergführer) habe ich ca. 45 Führertage auf Skihochtouren eingeplant.  Sagen wir mal es hätten 40 Tage stattgefunden, (Wetter, Verhältnisse etc.) entspricht das fast einem Drittel meines totalen Umsatzes auf das ganze Jahr gerechnet. Dies ist verloren und wird verzögert in den Monaten Oktober, November, Dezember sich als Problem darstellen.

Kreativität ist gefragt

Nun man könnte meinen, dass in den letzten Tagen das zu Hause sitzen und Daumen drehen Priorität hatte. Als Selbständiger (oder auch z.B. Geschäftsführer eines KMU o.ä.) kann man sich das nicht leisten!
Mit vollem Einsatz wurde nach Ideen gesucht, wie man auch in Zukunft finanziell über die Runden kommen wird.
Die Wintersaison wurde abgeschlossen, die Sommersaison auf Touren gebracht. Stets mit der Hoffnung, dass sich bis im Sommer die Situation wieder normalisiert hat.

Das Material sortiert und gepflegt, die Buchhaltung nachgeführt. Das letzere bleibt ansonsten oft hängen.

Alternatives Einkommen

Die einen Bergführer fandenspontan Arbeit im angestellten Verhältnis auf dem Bau, zum Fels räumen (Arbeit am Hängenden Seil) oder erledigten buchhalterische Arbeiten. 
Dies zum Beispiel im Alpinwork in Stans.

Nicht alle hatten diese Möglichkeit. So entstanden auch sehr kreative Ideen. Z.B. Tobias Granath (schwedisher Bergführer in Engelberg) verkauft erfolgreich vergrösserte und gedruckte Bergbilder aus seinem Archiv. Denn in diesem Bilderschatz findet man einige Knüller Aufnahmen von seinen Touren der letzten 10 Jahren.

Selbständigkeit in einem anderen Business

Ich selber versuche die seit längerem erworbene Skills von mir, wiederum selbständig auf zu bauen und auf Vordermann zu bringen.
Der Aufbau von einfachen Online Shops scheint zur Zeit ein gefragtes Produkt zu sein. Die kleinen Geschäfte bleiben wegen den Verordnungen bis auf weiteres geschlossen und jene suchen nun nach alternativen Verkaufskanälen. Wer bis jetzt noch keinen Online Shop hatte, ist jetzt der perfekte Zeitpunkt einen zu erstellen! Dank der technischen Hilfe von Freunden und ungewollt gewonnener Zeit, können wir nun innerhalb kürzester Zeit, moderne Webshops entwickeln. 

Als erstes Beispiel konnten wir innert ca. 30 Arbeitsstunden den Webshop von pb-polarbear auf die Beine stellen. Screendesign, Produktefotografie und die Entwicklung des Webshops sowie der Website erledigten wir innerhalb kürzester Zeit.

Somit konnten wir das erste kleine Honorar generieren aus alternativer Quelle. Nun hoffen wir auf weitere Aufträge.

Langsichtiges Denken

Im weiteren arbeite ich weiter an der Führerliteratur welche wir in den letzten Jahren geschrieben und illustriert haben. Konkret an der Überarbeitung des Engelberg- & Unterwalden Outdoorguides. Auch eine digitale Alternative soll entstehen.

Folge führend auch an einem neuen Buch «Hike & Fly Zentralschweiz» mit zwei äusserst kompetenten Kollegen. In diesen Werken werden die Touren (von welchen wir die allermeisten selber gemacht haben) aufgearbeitet und dokumentiert. So entstehen Inhalte, welche die Leute anregen, in die Berge zu gehen. Dies hat langfristig auch eine Auswirkung auf unsere Arbeitslage als Bergführer.

Kurzfristig gesehen, bringen diese Arbeiten kein Geld ein. Langfristig hoffentlich schon.
Die aktuelle Situation ist perfekt geeignet, um Projekte, welche man schon lang im Kopf hatte, zu realisieren. Denn eines ist sicher, es wird auch eine «Zeit danach» geben und die kann man jetzt lenken und aufbauen.
Der Körper ist des Bergführers Werkzeug. Neben den neuen «Büroarbeiten» halte ich mich mit regelmässigem Kondi-Training fit und und bleibe gesund. Von den hohen Bergen halte ich mich solidarisch fern zur Zeit.

Solidarität

Es gibt auch ganz andere positive Erkenntnis des aktuellen Geschehen. Es ist schön zu sehen, dass viele Gäste, Freunde und mir sogar unbekannte Personen mit Ideen und Unterstützung verschiedener Art beisteuern. Als Bergführer ist man sich nicht gewohnt Hilfe anzunehmen. Doch in Situationen wie jetzt, sind diese Taten und Gesten eine wunderbare Sache. Sie geben einem guten Rückhalt. Super!
Ich hoffe, dass dies auch bei anderen Berufsgruppen so gemacht wird.

Die Zeit danach

Mein oberstes Ziel ist es, die Gäste wieder mit Herzblut in die Berge zu führen, sobald die Corona Krise wieder unter Kontrolle ist. In der Krise entstehen neue Ideen, andere Strategien und alte Denkweisen werden überarbeitet. Vielleicht hast auch du Lust, diesen Sommer vermehrt in die Berge zu gehen um das nicht selbstverständliche Leben in der Schweiz zu geniessen? 

WILLKOMMEN!