Allgemein Neuigkeiten

Der selbständige Corona Bergführer

Auf Anfrage einer innovativen Schule für die Beschaffung von Schulstoff aus der aktuellen Situation, schreibe ich diese Zeilen. Danke für den kleinen Auftrag.

Das Informationsmail vom Berufsverband der Schweizer Bergführer SBV (Schweizer Bergführer Verband) vom 16.03.20 war hart aber nicht überraschend:

  • «Ab heute und bis auf weiteres sind alle kommerziellen Dienstleistungen im Zusammenhang mit Sport- und Freizeitaktivitäten vorübergehend strengstens verboten. Mit anderen Worten: Die Tätigkeit von Bergführern ist bis auf weiteres verboten. Die Berufshaftpflichtversicherungen schliessen im Falle eines Unfalls vorübergehend jegliche Deckung dieser Aktivitäten aus.»
  • «Selbständige Bergprofis haben zur Zeit noch keinen Anspruch auf die klassischen Leistungen der Kurzarbeit.»

Der Bund verbietet in seiner Covid-19-Verordnung-2 unter anderem «personenbezogene Dienstleistungen mit Körperkontakt«. Das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO hat entschieden, dass Bergführen unter dieses Verbot fällt.

Wer sich nicht ans dieses momentan verhängte Gesetz hält, riskiert Geldbussen und Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren.

Die Selbständigkeit als Bergführer

Sozusagen alle Bergführer in der Schweiz sind selbständig. D.h. sie führen entweder ein Einzelunternehmen oder haben eine eigene GmbH.
In der Hochsaison im Winter sowie Sommer gibt es mehr als genügend Arbeit für jedermann. In der Nebensaison ist die Arbeitsbeschaffung etwas aufwendiger und viele Führer gehen in dieser Zeit einer anderen Arbeit nach. Schweizergäste wechseln sich mit Gästen aus der ganzen Welt ab. Jeder ist selbst für Versicherungen, Inkasso und Risiko verantwortlich.

Berufsbild Bergführer
Berufsbild Bergführer

Bergführer/innen planen und organisieren ein- und mehrtägige Bergtouren im In- und Ausland. Bei der Vorbereitung einer Tour berücksichtigen sie die Bedürfnisse und die körperlichen Voraussetzungen der Teilnehmenden. Sie beraten sie beim Zusammenstellen von Bekleidung und Ausrüstung, die sie vor dem Start kontrol­lieren.

Die Route kann über Felsen, Eis und Schnee führen und Kletterpartien sowie Gletscherüberquerungen beinhalten. Bergführer/innen wählen immer einen möglichst sicheren Weg, auch bei schwierigen Verhältnissen. Mögliche Gefahren wie Gletscherspalten, Lawinen, Steinschlag und Wetterumschlag erkennen sie frühzeitig und reagieren entsprechend. Sie können die Lawinengefahr beurteilen und beherrschen die Kameradenrettung.

Bergführer/innen machen die Teilnehmenden einer Bergtour auf die im Gebirge speziellen Gefährdungen für die Gesundheit aufmerksam und instruieren sie vorbeugend. Bei einem Notfall treffen sie die entsprechenden Entscheidungen und leisten Erste Hilfe.

Während der Tour vermitteln Bergführer/innen den Bergsportler/innen Wissen über das Wetter, die Gesteine und Gletscher sowie über die Pflanzen- und Tierwelt.

Im Umgang mit ausländischen Gästen wenden sie ihre Fremdsprachenkenntnisse an.

Bergführer/innen leiten Outdoor- und Adventure-Aktivitäten wie Canyoning, Klettersteig-Begehungen, Steileisklettern und Sportklettern. Sie instruieren und überwachen die Teilnehmenden und sorgen dafür, dass die Sicherheitsvorschriften eingehalten werden.

Bergführer/innen leisten auch Einsätze auf Hochgebirgsbaustellen, beispielsweise bei Felsräumungen am hängenden Seil, sowie bei Rettungsaktionen in unwegsamem Gelände. Für die Beurteilung von Lawinensituationen und -unfällen können sie als Fachleute beigezogen werden. Zudem übernehmen sie Lehrtätigkeiten in Berg­sportschulen, Ausbildungs- und Rettungskursen sowie bei der Armee.

Bergführer/innen verfügen über Kenntnisse in Kommunikation und Betriebsführung.

Als selbstständig Erwerbende erledigen sie auch administrative Aufgaben und kümmern sich um die Vermarktung ihrer Dienstleistung.

Aktuelle Situation

Der Winter startete im Dezember harzig; konstante starke Winde, wenig Niederschlag und hohe Temperaturen. Dank erhöhtem Aufwand, gutem Marketing und kreativen Ideen konnten wir dennoch viel Arbeiten. Dies vor allem dank den internationalen Gästen aus Skandinavien, England, Deutschland und der USA. Anderen ging es aber schlechter und hatten aber wenig bis keine Arbeit.

Es ist noch keine Woche her, da waren wir bis zu sechs Tage die Woche auf den Freeride- oder Tourenskis unterwegs. Ich freute mich auf die Hochsaison in den Frühlingsmonaten. Bin gesund und super fit. Super Ausgangslage und dazu perfekte Verhältnisse in der Höhe, ausgebucht bis auf den letzten Tag. So würde ich genügend Geld für meine Familie mit zwei Kindern generieren. Eine der wichtigsten Phasen in der Saison. Geil.

Die ersten Absagen der ausländischen Gästen wegen der Corona Ansteckungsgefahr wurden noch etwas belächelt. Die Annulationsziffer der Ausländischen Gäste stieg dann aber rapide auf 100%. Plötzlich waren wir von Status «ausgebucht» auf einen schier blanken Terminkalender abgestuft. Dies innerhalb von weniger als 50 Stunden. Mit neuen Ideen konnte ich meinen Kalender mit Aufträgen von Schweizer Gästen innert kürzester Zeit wieder auffüllen. Danke für die Treue an dieser Stelle!

Die Vorfreude war von kurzer Weile.

Heute hatte ich mit einem einzelnen privaten Gast die tolle Skitour auf den Bristen bei Silenen in Uri geplant. Ein sehr einsames Unternehmen hoch über der Autobahn und dem Reustal. Stattdessen sitze ich nun zu Hause an meinem neu eingerichteten Arbeitsplatz vor dem Laptop. Berufsverbot.

Ehrlich gesagt, die Verführung dennoch zu gehen ist sehr gross. Perfekte Verhältnisse und geniale Gäste locken! Ein Risikomanagement der anderen Sorte tritt in Kraft und wir verzichten.

Wir befolgen die Richtlinien des Bundes, sagen sämtliche Touren ab. Bleiben zu Hause. Kopfschüttelnd. Enttäuscht. Verunsichert. Traurig.

Nach einer schlaflosen Nacht verfolge ich das Geschehnis in der Politik. Schaue auf mein Bankkonto und überschlage, wie lange ich die monatlichen Unterhaltsbeiträge für meine beiden Kinder bezahlen kann. Ich erstelle einen einfachen Budgetplan mit den Ausgaben. Einnahmen sind ja null. Nicht mehr so lange, und es geht nicht mehr. Es schiessen mir die Tränen in die Augen.

Eigene Welt in den Bergen

Wenn du dich fast ausschliesslich in den Bergen bewegst, lebt man oft an deiner Realität vorbei. Man bewegt sich ständig unter einer grossen Haube und schlägt sich mit anderen Probleme als die Mehrheit durch. Dies führte anfangs auch dazu, die ganze Situation etwas zu belächeln oder klein zu reden. Doch nun haben auch die Meisten Leute in den Bergen begriffen, dass die aktuellen drastischen Massnahmen wirklich nötig sind. Das Bergsteigen rückt in den Hintergrund.

Oft finde ich die Politik und dessen Akteure lächerlich. Doch ich glaube (und hoffe fest), dass genau diese Leute jetzt einen guten Job machen.
Darum kann ich persönlich auch nicht ganz nachvollziehen, warum noch immer so viele Private Leute in die Berge gehen und ihre Egotripps (sorry Folks!) noch an die grosse Glocke auf Insta & Facebook hängen müssen. 

Zu Hause bleibend bekomme ich so sogar das Gefühl, ich sei ein richtiger Bünzli. Einer der einzigen der sich an die Regeln hält?

Wie weiter?

Als Bergführer bist du gewohnt, sich auf immer wieder neue Situationen ein stellen zu müssen. Rollende Tourenplanung. Ich versuche die neue Situation als positive Herausforderung zu sehen um neue Sachen zu ermöglichen. Der Staat und das BAG weiss schon was er macht und die Massnahmen sind nicht übertrieben, hoffe ich!

Nach vielen Telefongesprächen mit Berufskollegen kommt etwas Hoffnung, dass wir als Selbständige nun doch vom Staat unterstützt werden könnten. Wie und wann ist jedoch noch unklar.

Irgendwann sind die Lückenfüller Arbeiten gemacht; Alle Steigeisen geschliffen, die Skis neu gewachsten, das Sommerprogramm online und ja sogar die Buchhaltung ist nachgeführt.

Dann werden viele Berufskollegen nach anderen Arbeiten suchen:

  • Arbeit am Hängenden Seil, z.B. Felsräumung (zur Zeit noch zugelassen)
  • Arbeit auf dem Bau (zur Zeit noch zugelassen)
  • Zimmermann
  • Entwicklung von Websiten (Homeoffice)
  • Buchhaltung (Homeoffice)

Falls keine Aufträge irgendwo im angestellten Modus auffindbar sind, ist selbständige Kreativität gefragt.

Existenzangst

Die Berufsgruppe der Schweizer Bergfürher werden zur Zeit vom Staat nicht unterstützt. Der finanzielle Schaden für uns kleine Einzelunternehmer in den allerwichtigsten Monaten des Jahres ist riesig. Unüberschaubar. Die Zeit danach ungewiss. Der Weg zur Finanzierung der Familie unbekannt.

Unter Druck zu Arbeiten sind wir uns sehr gewohnt, aber dies ist was ganz neues und macht Angst!

Es kommen Vorwürfe in mir auf, dass der Aufbau von meinem zweiten Standbein noch nicht fertig ist. Hätte ich doch nur weniger geführt, und mich mehr auf dessen Aufbau konzentriert? Sollte ich in Zukunft für ein “sicheres Einkommen” mich in einem z. B. Sportgeschäft anstellen lassen und auf die wertvollen Führerauftäge verzichten?

Nein ich glaube das Bergführen mit Vollblut ist sehr wichtig für den Tourismus in der Schweiz. Ich bleibe dabei und gebe auch in der Krise alles Mögliche. Dennoch bitte ich den Staat um eine schnelle, unkomplizierte und vorübergehende finanzielle Hilfe.



Passendes Kurzinterview mit Florian Möhl. Er ist Miteigentümer und Mitgeschäftsführer der Bergsportschule Grischa und Präsident der Bergführer-Sektion Surselva.


The self-employed Corona mountain guide

At the request of an innovative school for the procurement of school materials from the current situation, I am writing these lines. Thanks for the small order.

The information mail from the Professional Association of Swiss Mountain Guides SBV (Schweizer Bergführer Verband) of 16.03.20 was hard but not surprising:

«From today and until further notice, all commercial services related to sports and leisure activities are temporarily strictly prohibited. In other words: the activity of mountain guides is prohibited until further notice. In the event of an accident, professional liability insurance temporarily excludes any coverage of these activities.»
«Self-employed mountain professionals are not currently entitled to the classic benefits of short-time work.»

In its Covid-19 ordinance-2, the federal government prohibits, among other things, «personal services involving physical contact». The State Secretariat for Economic Affairs SECO has decided that mountain guiding falls under this ban.

Anyone who does not comply with this currently imposed law risks fines and imprisonment for up to three years.

Independence as a mountain guide

So to speak, all mountain guides in Switzerland are independent. This means that they either run a sole proprietorship or have their own limited liability company.
In the high season in winter as well as in summer there is more than enough work for everyone. In the off-season the job creation is a bit more complex and many guides have a different job during this time. Swiss guests alternate with guests from all over the world. Everyone is responsible for insurance, collection and risk.

Professional profile mountain guide

Profession mountain guide

Mountain guides plan and organise mountain tours of one or more days at home and abroad. When preparing a tour, they take into account the needs and physical requirements of the participants. They advise them on how to put together clothing and equipment, which they check before the start.

The route can lead over rocks, ice and snow and may include climbing sections and glacier crossings. Mountain guides always choose the safest possible route, even in difficult conditions. They recognize possible dangers such as crevasses, avalanches, rock falls and weather changes at an early stage and react accordingly. They are able to assess the danger of avalanches and are proficient in rescuing their companions.

Mountain guides make the participants of a mountain tour aware of the special dangers to health in the mountains and instruct them preventively. In case of an emergency they make the appropriate decisions and provide first aid.

During the tour, mountain guides provide mountaineers with information about the weather, rocks and glaciers as well as about the flora and fauna.

In dealing with foreign guests they use their foreign language skills.

Mountain guides lead outdoor and adventure activities such as canyoning, via ferrata ascents, steep ice climbing and sport climbing. They instruct and supervise the participants and ensure that safety regulations are observed.

Mountain guides also carry out operations on high mountain construction sites, for example, rock clearing on hanging ropes, and rescue operations in rough terrain. They can be called in as experts to assess avalanche situations and accidents. They also teach in mountaineering schools, training and rescue courses and in the army.

Mountain guides have knowledge in communication and operational management.

As self-employed they also carry out administrative tasks and take care of marketing their services

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Current situation

The winter started in December resinous; constant strong winds, little precipitation and high temperatures. Thanks to increased effort, good marketing and creative ideas, we were still able to do a lot of work. This was mainly thanks to the international guests from Scandinavia, England, Germany and the USA. Others, however, were worse off and had little or no work.

Not even a week ago we were on the freeride or touring skis up to six days a week. I was looking forward to the high season in the spring months. I am healthy and super fit. Great starting position and perfect conditions at altitude, fully booked up to the last day. So I would generate enough money for my family with two children. One of the most important phases of the season. Cool.

The first cancellations of foreign guests due to the risk of corona infection were still somewhat ridiculed. But then the cancellation rate of the foreign guests rose rapidly to 100%. Suddenly we were graduated from status «fully booked» to an almost blank appointment calendar. This within less than 50 hours. With new ideas I was able to fill up my calendar with orders from Swiss guests within a very short time. Thanks for your loyalty at this point!

Today I had planned the great ski tour on the Bristen near Silenen in Uri with a single private guest. A very lonely enterprise high above the motorway and the Reustal. Instead, I am now sitting at home at my newly furnished workplace in front of my laptop. Employment ban.

To be honest, the temptation to leave nevertheless is very big. Perfect conditions and ingenious guests attract! A risk management of the other kind comes into effect and we do without.

We follow the federal guidelines, cancel all tours. Stay at home. Shaking our heads. Disappointed. Insecure. Sad.

After a sleepless night, I follow what happens in politics. Look at my bank account and estimate how long I can pay the monthly alimony for my two children. I draw up a simple budget plan with the expenses. Income is zero. Not for that much longer, and it won’t work. It brings tears to my eyes.

My own world in the mountains

If you move almost exclusively in the mountains, people often live past your reality. You constantly move under a big hood and struggle with different problems than the majority. In the beginning, this also led to the whole situation being smiled at or talked down a bit. But now most people in the mountains have also understood that the current drastic measures are really necessary. Mountaineering is moving into the background.

I often find the politicians and their actors ridiculous. But I believe (and hope firmly) that exactly these people are now doing a good job.
That’s why I personally can’t quite understand why so many private people still go to the mountains and still have to make their ego trips (sorry folks!) known on Insta & Facebook.

Staying at home I even get the feeling that I am a real Bünzli. One of the only ones who follows the rules?

What next?

As a mountain guide you are used to having to adjust to new situations all the time. Rolling tour planning. I try to see the new situation as a positive challenge to make new things possible. The state and the FOPH already know what they are doing and the measures are not exaggerated, I hope!

After many telephone conversations with professional colleagues, there is some hope that we as self-employed people could now be supported by the state after all. But it is still unclear how and when.

At some point the gap-filling work is done; all crampons are sharpened, the skis are newly waxed, the summer program is online and even the bookkeeping is updated.

Then many colleagues will be looking for other work:

  • Work on the hanging rope, e.g. rock clearance (currently still permitted)
  • Work on the construction site (currently still permitted)
  • Carpenter
  • Website development (home office)
  • Accounting (home office)

If no orders can be found anywhere in the hired mode, creativity is required.

Fear of existence

The professional group of Swiss mountain guides is currently not supported by the state. The financial loss for us small individual entrepreneurs in the most important months of the year is enormous. Incalculable. The time afterwards uncertain. The way to finance the family unknown.

Under pressure to work we are very used to, but this is something completely new and scares us!

There are reproaches in me that the construction of my second main pillar is not yet finished. If only I had led less and concentrated more on its construction? Should I be employed in a sports shop in the future for a «secure income» and whistle at the guests?

No, I think that mountain guiding with thoroughbred is very important for tourism in Switzerland. I will stick to it and give everything possible even in the crisis. Nevertheless, I am asking the state for quick, uncomplicated and temporary financial help.